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Kulturvermittlung in Bewegung

27.10.2017
Die ICOM CECA Pre-Conference im Rahmen des Österreichischen Museumstages 2017
In einem spannenden demokratischen Prozess wurde das Berufsbild der österreichischen Kulturvermittlung ausformuliert und feierlich beschlossen.
 
 
Wencke Maderbacher
ICOM CECA National Correspondent 
 
 
Einen fulminanten Auftakt gab es heuer zum 28. Österreichischen Museumstag im Museum Arbeitswelt in Steyr: 130 Kulturvermittlungs-Expertinnen und Experten versammelten sich im großen Saal zur 2. ICOM CECA Preconference. 
 
Nach einer herzlichen Begrüßung durch die ICOM Geschäftsführerin Elke Kellner, führte der Kulturvermittler und Kulturanthropologe Markus Waitschacher mit dem Vortrag „Zivilstreife im Museum“ nachdenklich und amüsant in das Vormittagsthema « Kulturvermittlung und ihre Verantwortung in der Gesellschaft ». Zunächst erinnerte Waitschacher daran, dass Zivilgesellschaft den nicht-militärischen Teil der Gesellschaft meint, in Österreich ein doch beträchtlicher Anteil, und an die Erstürmung der Tuilerien während der Französischen Revolution, deren Ergebnis u.a. auch die Öffnung des Louvre für die Bevölkerung war. Er erinnerte daran, dass diese Zivilgesellschaft aber keine einheitliche Masse ist, sondern sich aus vielen einzelnen Individuen zusammensetzt, aus Neuangekommenen, Pegida-AnhängerInnen, Identitären, Schon-Immer-da-Gewesenen. Die Museen werden heute immer noch gestürmt von Touristen mit Rucksäcken, die verbotenerweise größer als DIN A4 sind, doch auch die Museen selbst sollten hinausgehen und diese Gesellschaft stürmen, physisch, wie auch gedanklich. 
 
Gesellschaftliche und politische Umbrüche prägen unsere Zeit. Das wirkt sich auch verstärkt auf die Interaktion von Museen und Gesellschaft aus. KulturvermittlerInnen gehen bei ihrer Tätigkeit immer von der Gegenwart aus. Museen sind schon lange nicht nur Anbieter eines Programmes und das Publikum nimmt sich selbst längst nicht nur als Konsumenten wahr. KulturvermittlerInnen diskutieren die gesellschaftliche Relevanz der institutionellen Themen und setzen diese in aktuelle Kontexte. Sie sind es, die gemeinsame Erfahrungsräume schaffen. Sie informieren, sie moderieren und fördern die kritische Auseinandersetzung.
 
Bei der ICOM CECA Preconference wurden vier mutige, bewegende Vermittlungskonzepte vorgestellt, die allesamt einen gesellschaftlichen Wandel zum Auftrag hatten.
 
Den Anfang machte Brigitte Hauptner aus dem Belvedere mit einem Vermittlungsprojekt für Menschen mit Demenz. Das Konzept dazu entstand in enger Zusammenarbeit mit dem Alzheimer-Tageszentrum der Caritas Socialis. Inzwischen konnte Brigitte Hauptner zahlreiche Gruppen von Menschen mit Demenz durch die Sammlung bzw. die Ausstellungen im Oberen und Unteren Belvedere begleiten. Im Wesentlichen handelte es sich dabei um Menschen in der mittleren Phase der Demenz. In diesem Stadium werden rein kognitiv kaum noch neue Informationen in das Langzeitgedächtnis aufgenommen. Trotz unterschiedlicher Einschränkungen bleiben viele Fähigkeiten aber noch lange erhalten. Das Kunstbetrachtungs-Angebot für Menschen mit Demenz des Belvederes hat das Ziel, noch vorhandene „Erinnerungsinseln“ aufzuspüren, um an vergangene Erfahrungen und Gefühle anzuknüpfen. Der Mensch ist mehr als seine kognitiven Eigenschaften.
 
Karoline Böhm und Markus Neubauer stellten im Tandem ein Vermittlungs- und Ausstellungsprojekt des GrazMuseums vor:  „Nichts über uns, ohne uns – Inklusive Vermittlung in der Ausstellung Mittendrin. Leben mit Beeinträchtigung“. Das Projekt behandelte die Frage, was passiert wenn das Leben mit Beeinträchtigung und die politische Forderung nach Selbstbestimmung im Fokus einer Ausstellung stehen und von Beginn bis Ende mitgedacht werden? Im Rahmen der Ausstellung "Mittendrin. Leben mit Beeinträchtigung" im GrazMuseum entwickelten KulturvermittlerInnen mit und ohne intellektuelle Beeinträchtigung gemeinsam interaktive Vermittlungsformate. Bei der ICOM CECA Preconference betrachteten sie das Vermittlungsprojekt retrospektiv und berichteten von institutionellen und persönlichen Erfahrungen. Entwickelte Möglichkeiten eines barrierefreien Kulturschaffens, Vermittelns und Rezipierens bildeten dabei ein ebenso zentrales Thema, wie der Umgang mit gesellschaftlichen Ausschlüssen und Tabus im Museumskontext.
 
Beate Lex präsentierte das Projekt Einrichten – Wiener Kuchl aus dem MAK – Museum für Angewandte Kunst. Im Rahmen der „Hunger auf Kunst und Kultur“-Projektschiene Kultur-Transfair arbeiteten DesignerInnen, SozialarbeiterInnen und VermittlerInnen mit Menschen, die obdach- oder wohnungslos waren, zusammen. Aus der Zusammenarbeit entstand eine Küche zum Selberbauen, die Wiener Kuchl. Denn auch wenn die ehemals obdachlosen Menschen eine Wohnung besitzen, so ist die Anschaffung einer Küche eine große finanzielle und logistische Herausforderung. Die Wiener Kuchl sollte genau hier Abhilfe schaffen. Diese Do-It-Yourself Küche musste einige Bedingungen erfüllen: sie darf nicht mehr als 200,- EUR kosten, sie muss mit einer einzigen Rodel transportierbar sein, alle Materialien müssen leicht in einem einzigen Baumarkt zu kaufen sein und die Küche muss ohne großes technisches Geschick bzw. Geräte zusammenbaubar sein. Dies ist dem Projektteam gelungen. Aktuell sind die Baupläne und die Videoanleitung auf der Website des MAK zu finden, sie sollen aber in Kürze auf weiteren Plattformen zur Verfügung gestellt werden. Das greifbare Ergebnis war ein Schlüsselerfolg dieses Projektes für alle Beteiligten.
 
Stephan Rosinger und Robert Hummer vom Museum Arbeitswelt Steyr erinnerten die KonferenzteilnehmerInnen an die politische Schlagkraft und der gesellschaftlichen  Verantwortung einer Kultureinrichtung mit der Geschichte ihres Museums. Das Museum Arbeitswelt in Steyr ist aus einer Arbeiterbewegung heraus entstanden und hat sich schon immer gesellschaftlich positioniert. Damit dieser Prozess nicht einschläft und tatsächlich alle Teile der Gesellschaft widerspiegelt, bedarf es jedoch harter Arbeit und ständigem Engagement. Die Kulturvermittlungs-Abteilung des Museums hat im Laufe der Jahre mit wechselndem Erfolg verschiedene Formate zur BürgerInnen-Beteiligung entwickelt. Im Zuge des Museumstages startete eine demokratische Diskussionsinitiative „Welche Gesellschaft wollen wir sein?“ zu der 300 Interessierte kamen und angeregt debattierten. Aktuell stellen sich die Fragen: Auf welchen Werten basiert unsere demokratische Gesellschaft? Kann sie sich vor dem Angriff auf Menschenrechte und dem Trend zum Autoritären schützen? Darauf und auf vieles mehr gilt es gemeinsam Antworten zu suchen. Die weiteren Termine finden in der Pfarre, im Wirtshaus und Gemeindesälen statt, bis die Reihe zum Abschluss wieder in das Museum Arbeitswelt zurückkehrt. 
 
 
Ein wichtiger demokratischer Prozess fand auch am Nachmittag bei der ICOM CECA Preconference statt. Unter dem Aufruf „Kulturvermittlung bewegt“ beschloss ICOM CECA Austria mit allen 130 anwesenden KulturvermittlerInnen ein einheitliches verbindliches Berufsbild der österreichischen Kulturvermittlung. 
 
Seit 2015 betreibt ICOM CECA Austria einen intensiven Prozess mit einer stets wachsenden ExpertInnen-Gruppe. Die ICOM CECA Arbeitsgruppe setzt sich hierbei aktiv mit aktueller Kulturvermittlungs-Arbeit auseinander, und setzt den Fokus v.a. auf die übergeordneten Tätigkeiten und Begriffe der Kulturvermittlung. In der regen Arbeitsgruppe bestehend aus vielen LeiterInnen der Kulturvermittlungs-Abteilungen der Bundes-, Landes und wichtiger Stadtmuseen wurde schrittweise ein Berufsbild Entwurf erarbeitet. Dieser wurde bereits im Frühjahr 2017 an das Netzwerk ausgesendet, damit Rückmeldungen eingearbeitet werden konnten. Die Arbeitsgruppe selbst repräsentiert viele hundert KulturvermittlerInnen. Das Netzwerk deckt fast ganz Österreich ab. 
 
Ende 2016 gelang ein weiterer Meilenstein – der Österreichische Verband der KulturvermittlerInnen wurde neu aufgestellt und die Zusammenarbeit zwischen ICOM CECA und dem Verband sichtbar besiegelt. Sandra Malez, Leiterin der Kulturvermittlung am Oberösterreichischen Landesmuseum, und aktives Mitglied der ICOM CECA Arbeitsgruppe wurde Obfrau des Verbandes und Wencke Maderbacher, ICOM CECA National Correspondent Austria, stellvertretende Obfrau. Seither arbeiteten diese beiden Berufsvertretungen der österreichischen  Kulturvermittlung als starke Partner zusammen. 
 
In einem spannenden demokratischen Prozess wurde das Berufsbild am 11.Oktober gemeinsam mit allen 130 anwesenden KulturvermittlerInnen ausformuliert und feierlich beschlossen! 
 
Sandra Malez, Obfrau des Verbandes der KulturvermittlerInnen und Wencke Maderbacher, ICOM CECA National Correspondent Austria unterzeichneten gemeinsam das Berufsbild. Nun wird das Berufsbild weiter verbreitet, in nationale und internationale Verbände weitergeleitet, übersetzt. ICOM CECA Austria und der Verband der KulturvermittlerInnen können nun durch dieses geeinte Berufsbild die nächsten wichtigen Schritte zur Professionalisierung der Kulturvermittlungs-Tätigkeit an Museen einleiten: die Erarbeitung der Berufsausbildung und der Arbeitsbedingungen für KulturvermittlerInnen.
 
 
 
ICOM CECA Österreich hat auch für das kommende Jahr bereits wieder eine Pre-Conference zum Österreichischen Museumstag 2018 geplant:
Save the date:
Mi, 10.Oktober 2018 ICOM CECA Pre-Conference dismal in Innsbruck 
 
 
Weitere Informationen zu ICOM CECA:
 
Wencke Maderbacher
ICOM CECA National Correspondent
 
 
 
Wer mehr über ICOM CECA erfahren möchte findet uns auf facebook: www.facebook.com/icomcecaaustria
 
 
Foto-Credit: Peter Fritz (header) & MAW / Judith Vogt