News

Das Museum als Lernort - Schule im Museum

20.11.2020

Eine Konzeption von ICOM Österreich - Österreichisches Nationalkomitee des International Council of Museums / ICOM

 

EINFÜHRUNG

 

In einer Zeit der Umbrüche und Unsicherheit – von der gesundheitlichen Bedrohung einer Pandemie bis zu den Auswirkungen des weltweiten Klimawandels stehen gerade Kinder und Jugendliche heute vor ganz besonderen Herausforderungen. Im heutigen Zeitalter der Technisierung und der damit einhergehenden beschleunigten Lebensverhältnisse unterliegen die kindlichen Lebenswelten dabei auch immer schnelleren und vielfältigeren Modernisierungsprozessen. Kinder und Jugendliche wachsen in einer medialisierten Gesellschaft auf, in der Informationen vor allem online zugänglich sind.

 

In der schwierigen Zeit der Corona-Krise wird zu Recht auf die große gesellschaftspolitische Verantwortung der Museen hingewiesen. Museen genießen hohe Glaubwürdigkeit und Vertrauen - Eigenschaften, die gerade jetzt besonders wichtig sind. Museen liefern Fakten und Kontext und sind Gedächtnisspeicher und Leuchtturm unserer Gesellschaft. Als kultureller Lernort können im Museum Erfahrungszusammenhänge aus erster Hand begreifbar gemacht werden. Das „Museum als Klassenzimmer“ kann informelle Lernprozesse initiieren, die Eigenverantwortung stärken und das Lernen aus eigener Bereitschaft anhand von Erfahrungen und Anschauung an originalen Objekten veranlassen. Neben den für die schulischen Lernfächer erforderlichen Inhalten können so auch Schlüsselkompetenzen, wie Teamfähigkeit, emotionale Sensibilität, Kommunikationsfähigkeit oder Kreativität gefördert werden. Die Schule als formelle Bildungseinrichtung kann diese Vorteile einer informellen Kulturstätte nutzen, damit Schule und Leben wieder stärker miteinander verbunden werden. Mit den hier ausgeführten Überlegungen, bringt ICOM-Österreich seine internationale Expertise und die Kompetenz der österreichischen Museumscommunity ein, um auf die Möglichkeiten, die die Museen – gerade auch in Krisenzeiten bieten können - hinzuweisen.

 

WAS

 

Schüler/innen sollen mehr Möglichkeiten bekommen, Museen besuchen und nutzen zu können. Der Weg ins Museum soll erleichtert und auf die neue Qualität des Museums als Lern- und Aufenthaltsort hingewiesen werden. Unabhängig von den gängigen Überblicksführungen und Themen-Workshops haben die Museen viel mehr zu bieten, das sich für den Unterricht nutzen oder kombinieren lässt. Der sogenannte Lock-Down hat gezeigt, dass vieles online möglich ist, dass man Webinare halten und womöglich digital unterrichten kann. Dass es aber einen großen Mehrwert hat, in direkten Kontakt mit Menschen, Orten, Objekten und Geschichten treten zu können, haben wir ebenfalls erfahren. Und vermisst.

 

Die eingeübten Vermittlungsprogramme und Workshop-Angebote sind wie gewohnt buchbar, die zusätzliche Besonderheit dieses Vorhabens ist, dass in den Museen unterrichtet wird, dass also die Museumsräumlichkeiten wie Klassenzimmer funktionieren. Der positive Effekt des außerschulischen Lernens wird mit der Erfahrung „Lernen im Museum“ kombiniert und sich günstig auf Partizipation und gesellschaftliche Teilhabe auswirken können. Die Vermittlungsabteilungen der Museen bieten jeweils auf ihre Häuser und Themen abgestimmte Programme an.
 

 

WIE

 

Der Museumsbesuch junger Menschen muss beiderseits – von Seiten der Schule und des Museums – erleichtert werden. Der Aufenthalt junger Leute im Museum zielt auf diesen direkten Kontakt ab und ist mit Arbeitsaufträgen, Tipps, Hinweisen und Gesprächen mit Fachleuten verbunden. Die Vermittler/innen betreuen Schüler/innen im Rahmen personaler Vermittlung zu fixen oder vereinbarten Zeiten. Selbstverständlich können Schüler/innen die Museen auch individuell besuchen.

 

Das zur Verfügung stehende Angebot (Texterfassung, Textproduktion, Audioguide, Multimedia) wird auf den Museumswebsites entsprechend platziert und aktiv nutzbar gemacht. Eine „digital tour“ wird mit analogen Angeboten verbunden, erweitert und mit der persönlichen Interaktion bereichert. Für alle Unterrichtsgegenstände lassen sich in den österreichischen Museen Anknüpfungspunkte finden, abgesehen von der Vermittlung von Kunst, Stadtgeschichte und den kultur- und naturwissenschaftlichen Fächern sind Fremdsprachentraining und die Arbeit mit Texten sehr leicht umsetzbar. Auf Grund des modularen Lehrplans dient der Museumsbesuch der Festigung der im Unterricht vermittelten Inhalte.

Wenn Klassen im neuen Schuljahr geteilt unterrichtet werden müssen, bieten die Museen für die nicht im Klassenraum betreute Gruppe einen geeigneten außerschulischen Lernort an. Die Umgebung des Museums bietet gleichermaßen ein spannendes Betätigungsfeld für Arbeitsaufträge im Stadtraum an, um die topografische Verortung der im Museum präsentierten Inhalte persönlich erlebbar zu machen. Die Entwicklung spezieller Stadt-Rallyes könnte auch von Schüler*innen für andere Schüler*innen ausgeführt werden.

 

Beispiele für „Unterrichtseinheiten“ im Museum:
-Sinnerfassendes Lesen, Zusammenfassen, Lückentexte bearbeiten
-Textanalyse (Zeitungsartikel, Brief, Tagebuch-Eintrag)
-Spracherwerb und „listening comprehension“ in den Fremdsprachen (Führungen in der Fremdsprache, Audioguides nutzen)
-Präsentationstechniken anhand der Museumsthemen üben
-Sachunterricht und Landeskunde
-Kunsterziehung

 

Die Kultur- und Kunstvermittlung reagiert mit ihren Angeboten im Rahmen der in den Museen gebotenen Ausstellungen in der Regel auf Spezialthemen und Projekte, die entweder im Lehrplan verankert sind oder von den Lehrenden als zusätzliche Festigung des im Unterricht vermittelten gebucht werden. Das Projekt „Schule im Museum“ geht einen großen Schritt weiter und vergrößert den thematischen Ausschnitt.

 

Beispiel zur praktischen Anwendung: Im Jüdischen Museum Wien sind nicht nur jüdische Feiertage und das Gedenken an die Jahre des Nationalsozialismus als Themen zu finden. ALLE Wand- und Raumtexte lassen sich zu einem Lückentext machen. Eine fremdsprachige Sequenz des Audioguides zur Geschichte der Wiener Ringstraße trainiert das Hörverständnis in Englisch oder Französisch. Genauso lässt sich ein Unfallbericht im Museum verfassen oder die Gestaltung fiktiver neuer Drucksorten geübt werden, um nur wenig Beispiele zu nennen. Die Themen sind so verschieden wie die Museen, in den diese Interaktion stattfinden kann.

 

ZIELSETZUNG

 

 

Die COVID-19 Krise hat gezeigt, wie schnell gesellschaftliches Umdenken erforderlich sein kann. Museen sind Orte der Auseinandersetzung, für die wir uns Zeit nehmen sollten. Austausch, Information, Wissenserweiterung, politische Bildung, Erinnerung, Gedenken und vor allem die Freude am Kennenlernen von etwas Anderem – Themen, Orten, Dingen, Geschichten und Menschen. Auf diese Weise können Museen und Schulen zu einem gesellschaftlichen Diskurs beitragen und aus Schüler/innen Museumsfans machen.

 

Die Museen kommen damit nicht nur ihrem Bildungsauftrag, sondern ihrer gesamtgesellschaftlichen Verantwortung nach. Ungleichheit in Bezug auf den Zugang zu Kultur und Kunst kann ausgeglichen werden, wenn ein Museumsbesuch nicht mehr als besonderes und seltenes Event betrachtet wird, sondern regelmäßig in den Unterricht integriert werden kann.

 

ICOM Österreich setzt sich daher dafür ein, das Museum als Lernort stärker wahrzunehmen und durch leichte und unbürokratische Umsetzung, Schulveranstaltungen und Lehrausgänge in Museen leicht organisier- und durchführbar zu machen. Bildungsdirektionen und Schulen sollen entsprechende Informationen erhalten und an die Lehrerinnen und Lehrer weitergeben damit das Angebot der Museen in den Regelunterricht aufgenommen werden kann. Schulveranstaltungen und Lehrausgänge in Museen im Ausmaß von bis zu fünf Stunden oder höchstens eines Tages sollen für die unterschiedlichen Schulstufen und Schultypen in den österreichischen Museen unbegrenzt möglich sein. Eine entsprechende gesetzliche Regelung im Rahmen der Schulveranstaltungenverordnung im Rahmen der Kompetenz des Bundesministers ist anzustreben.
 

Wien, 14. Juli 2020

ICOM Österreich
Mag. Bettina Leidl, Präsidentin ICOM Österreich
Dr. Danielle Spera, Vize-Präsidentin ICOM Österreich
Hannah Landsmann, Leitung Kommunikation & Vermittlung, Jüdisches Museum Wien
Mag. Elke Kellner, Geschäftsführerin ICOM Österreich